GdP-Seniorengruppe Aachen   

Betagter Geisterfahrer stirbt nach Unfall auf der Autobahn

Das reale Leben schreibt Geschichten, die sich der Mensch nicht ausdenken kann.

Ein betagter Geisterfahrer, nennen wir ihn Fritz, verwechselt Auf- und Abfahrt einer Autobahn, da er sich aufgrund einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung nicht mehr orientieren kann und kollidiert in der Folge mit mehreren Pkw.

Er selbst verstirbt im Krankenhaus; unter den Pkw-Insassen gab es mehrere Verletzte und Schwerverletzte.

Anders, als von den Lesern jetzt vielleicht vermutet, wollen wir hier weder eine Diskussion über das Verkehrsverhalten älterer Menschen im Straßenverkehr anstoßen, noch ist es unsere Absicht, Forderungen aufzustellen.

Vielmehr möchten wir das Lebensumfeld des alten Herrn betrachten und daraus Schlussfolgerungen für rechtzeitige vorbeugende Maßnahmen ziehen. Damit weder das Leben von Fritz als Unfallverursachenden so tragisch enden muss, noch andere Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Der alte Herr, stetig über weit mehr als 90 Jahre gealtert, hat sich vermutlich daran gewöhnt, immer älter zu werden. Wenn er, so wie in diesem Fall, auch noch keine wesentlichen physischen Beeinträchtigungen spürt, hält er sich nach wie vor stark genug, jahrzehntelang antrainierte Verhaltensweisen auch weiterhin zu pflegen und nicht zu ändern, einzuschränken oder gar einzustellen.

Die schleichende Demenzerkrankung hat er selbst nicht im erforderlichen Umfang wahrgenommen, bestätigt ihn doch sein Umfeld, indem er für seine augenfällige Vitalität auch noch bewundert wird und erst drei Jahre zuvor noch „sein nun wirklich letztes Auto“ erwirbt.

Da er nicht unvermögend ist, kann er sich auch einige Annehmlichkeiten leisten, die seine langsam wahrgenommenen Einschränkungen abmildern. Für die Sauberkeit seiner Wohnung und Kleidung und für sein leibliches Wohl trägt eine Arbeitshilfe bei. Ein Platz im Altenheim kommt für ihn, den Geschäftsmann und Macher vergangener Zeiten, nicht in Frage.

Sein Umfeld

Wie es bei betagten Menschen nicht unüblich ist, gibt es häufig kein oder nur ein sehr kleines persönliches Umfeld.

Nicht nur seine Frau ist nach 60 Jahren Ehe verstorben; eigentlich sind alle Menschen um ihn herum verschwunden, die ihn über sehr lange Zeiten intensiv begleitet haben. Die alten Freunde, die Skatbrüder, die Mitglieder im Wanderverein, ehemalige Geschäftspartner sind alle schon vor Jahren aus dem Leben geschieden.

Seinem einzigen Kind vermacht er nach dem Tod seiner Ehefrau sein ganzes Vermögen. Dieser Schritt sollte ihn entlasten und einen ruhigen Lebensabend verschaffen.

Die Tochter, Ärztin und ihrerseits sehr gut situiert, unverheiratet und kinderlos und in deutlicher Entfernung zum Wohnort ihres Vaters wohnend, kümmert sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um ihn.

Als sie aber wenige Jahre später plötzlich und völlig unerwartet stirbt, ist Fritz wieder an der Stelle, an der er schon einmal war. Als nächster Verwandter erbt er nicht nur sein ehemaliges Vermögen zurück, sondern auch noch obendrauf das seiner verstorbenen Tochter.

Da er selbst seinerzeit das jüngste von sieben Kindern war, sind seine nächsten noch lebenden Verwandten die Neffen und Nichten, Kinder seiner bereits schon lange zuvor verstorbenen Geschwister. Diese, mittlerweile selbst an die und über 80 Jahre alt, sind weder als seine Bevollmächtigte sonderlich geeignet noch aufgrund ihres Lebenslaufes wenig dazu in der Lage, ihm eine Stütze zu sein.

Also sucht Fritz, mittlerweile schon fast 90-jährig, nach Auswegen und Hilfen. Eine findet er in der besagten Reinigungs- und Pflegekraft.

Nun, nach seinem tragischen Tod auf der Autobahn, werden seine entfernten Verwandten, wiederum die Kinder seiner bereits alten Neffen und Nichten, überall im Lande verstreut lebend, aktiv und stehen vor vielen Fragezeichen.

Hat „Onkel“ Fritz ein Testament hinterlassen?

Hat irgendwer eine Vollmacht?

Wo liegen wichtige Dokumente?

Was hat „Onkel“ Fritz in seiner Demenzerkrankung seiner Haushaltshilfe unterschrieben?

Wer kennt diese überhaupt und wie ist sie erreichbar?

Mit welchen Rechten wurde sie von Fritz ausgestattet?

Da sie nach wie vor über die Schlüsselgewalt zu allen Liegenschaften verfügt, stellt sich die Frage, welche Sofortmaßnahmen sind zu treffen? Zumal Nachbarn darüber berichten, dass Einrichtungsgegenstände aus Fritz‘ Häusern nachts abtransportiert worden sind.

Fragen über Fragen, die im vorliegenden Fall leider zu spät gestellt wurden. Onkel Fritz war irgendwie immer da gewesen, sein abruptes Ende von keinem erwartet worden.

Es ist halt diese Sorglosigkeit aller Beteiligten im Umfeld von Fritz, dem man selbst in seinem biblischen Alter seinen Tod nicht zugetraut hat und zuversichtlich glaubte, dass Fritz noch lange lebt. Anders als von Sorglosigkeit könnte man auch von Verdrängen reden. Alle wissen um eine Tatsache, aber keiner fühlt sich zum rechtzeitigen Handeln bewogen. Niemand der Fritz angeraten hätte, sein Auto nicht mehr zu benutzen, ihm den Fahrzeugschlüssel weggenommen oder unter Umständen das Straßenverkehrsamt informiert hätte.

Sicherlich ist diese Lebensgeschichte nicht alltäglich, eine Erfindung des Erzählers? Mag sein, und doch nicht von der Hand zu weisen. Und doch ein Schicksal, wie nur das Leben es schreiben könnte.

Wir veröffentlichen diese Begebenheit, da sie anregen soll, über die eigenen Verhältnisse und Lebenssituation nachzudenken. Regelungen zu treffen, um Klarheit für Hinterbliebene zu schaffen. Hinterbliebene, die sich mit Personen ihres Umfeldes zu deren Lebzeiten befassen sollten, da zu diesem Zeitpunkt vieles noch deutlich einfacher zu klären ist.

Im Jahr 2020 weist das statische Bundesamt annähernd 16,5 Millionen Singlehaushalte aus. Für 2040 wird erwartet, dass jeder vierte Mensch in Deutschland alleinlebend sein wird.

Die Geschichte von Fritz wird einem ja nicht in gleicher Weise widerfahren; aber in geänderter Fassung auch nicht erst mit über 90 Jahren. Manche Geschichten beschreiben Schicksale schon in deutlich jüngeren Jahren.

Wir, die Ansprechpartner Senioren (APS) in der GdP-Kreisgruppe Aachen, haben auf unserer Internetseite zahlreiche Informationen und Hinweise zu den Themen Vorsorge und Erbe eingestellt. Darüber hinaus stehen wir euch bei Fragen gerne im Rahmen unserer Möglichkeiten zur Verfügung. Wir können, wie beispielsweise mit diesem Bericht, immer wieder nur darauf hinweisen.

Der Weg zum ersten Schritt liegt letztlich bei jedem selbst.

 
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